Wieder einmal beschränkt die Staatsregierung die Kommunen in ihrer verfassungsrechtlich garantierten Finanzhoheit und verwehrt Einnahmen und Lenkungsinstrumente. Denn wie schon nach dem Verbot einer kommunalen Bettensteuer (Übernachtungssteuer) im Jahr 2023 oder nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge 2018 sind nun auch kommunale Verpackungssteuern in Bayern verboten.
„Das ist nicht kommunalfreundlich“, sagt Landtagsabgeordnete Gabriele Triebel. „Gemeinden sollten auf jeden Fall selbst entscheiden können, ob sie Steuern erheben wollen, die in den kommunalen Haushalt fließen. Und sie sollten selbst entscheiden können, ob sie Steuern als Lenkungsinstrument einsetzen, etwa zur Müllvermeidung.“ Die grüne Landtagsfraktion hat daher diese Woche einen Gesetzentwurf im Sinne des Steuerfindungsrechts der Kommunen und zur Ermöglichung kommunaler Steuern im Tourismusbereich vorgelegt. Der Entwurf soll die Finanzen der Kommunen und ihr Recht, Einnahmen zu generieren, stärken.
Mit der Ablehnung der Verpackungssteuer wird innerhalb von zehn Jahren zum dritten Mal in die kommunale Finanz- und Selbstverwaltungshoheit der Kommunen eingegriffen. „Damit wird den bayerischen Gemeinden wieder ein Stück ihrer Entscheidungsmöglichkeiten genommen“, erklärt Gabriele Triebel, Abgeordnete für den Stimmkreis Landsberg am Lech und Fürstenfeldbruck-West. „Ich bin der Meinung, dass Kommunen durchaus in der Lage sind, eigenverantwortlich zu handeln. Wenn sie also eine Verpackungssteuer vor Ort als Instrument einsetzen wollen, um der Flut an Einwegverpackung und steigenden Müllgebühren etwas entgegenzusetzen, dann sollten sie die Möglichkeit dazu haben.“
Konkrete Änderungen der grünen Landtagsfraktion im Kommunalabgabegesetz
HINTERGRUND
Der grüne Gesetzentwurf wird das Kommunalabgabengesetz (KAG) ändern, soll die Kommunalfinanzen der Kommunen stärken bzw. den Gemeinden mehr Entscheidungsfreiheit einräumen und hat konkret folgenden Inhalt:
Regionale Zahlen und Fakten:
Kommunale Verpackungssteuer
Unter anderem folgende Gemeinden bereiten die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer vor bzw. denken sie darüber nach (Q.: SZ-Artikel vom Mai 2025 hier, der exemplarisch einige Kommunen nennt):
Folgende bayerische Städte und Gemeinden wollten eine Verpackungssteuer oder haben bereits eine Einführung geprüft bzw. haben grundsätzlich Interesse (Quelle: Liste der Dt. Umwelthilfe mit Kommune siehe hier Stand: 02.05.2024)
Starnberg war die erste Stadt in Bayern, die die Verpackungssteuer einführen wollte und hatte bei 24.000 Einwohnern mit etwa 250.000 Euro Einnahmen gerechnet. Verwaltungsaufwand für Starnberg relativ gering. Etwa 50 bis 70 Betriebe, die es betroffen hätte, vs. 1.300 Bescheide, die nur wegen Hundesteuer rausgehen.
Stimmungsbild Gastro in Starnberg: Eher pro Verpackungssteuer! Mehrweg sei schon in den Gedanken der Menschen verankert, könnte sogar Gastro ankurbeln.
(Berichte siehe hier und hier sowie hier)
Zahlen und Infos aus Tübingen
91.000 Einwohner, Einnahmen:
In Tübingen wird eine Steuer auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck erhoben, die für den sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen gedacht sind. Die Steuer beträgt:
Alle Materialien sind gleich besteuert. Betroffen sind auch Boxen, Schalen, Becher und Papiertüten. Bei kalten Speisen fällt die Steuer nur an, wenn sie mit Besteck verkauft werden. (Bericht siehe hier)
Die Stadt Tübingen zieht ein positives Fazit – siehe diesen Beitrag in der Kommunale vom Januar 2025 hier bzw. im Zitat:
„Diese Zahlen bestätigen den Erfolg:
Welche Kommune(n) hat/haben schon konkret die Genehmigung ihrer Satzung nach Art. 2 Abs. 3 KAG beantragt, für die landesweit erstmalige Erhebung einer örtlichen Verpackungssteuer:
Aussage des LT-Beauftragten des StMI: Bislang hat keine Rechtsaufsichtsbehörde dem StMI eine gemeindliche Satzung zur Erhebung einer Verpackungssteuer zur Zustimmung vorgelegt. Dem StMI ist nicht bekannt, dass bereits eine Gemeinde bei einer Rechtsaufsichtsbehörde einen Antrag auf Genehmigung gestellt hat.
Gästebeitrag
Mit dem Gästebeitrag wollen wir Gleichheit schaffen zwischen Kommunen mit Kur- und Heilbadstatus und anderen Fremdenverkehrsgemeinden. Bspielsweise kann die Gemeinde Kochel aufgrund ihrer Klassifizierung bereits Kur- und Gästebeiträge erheben. (Seit 2021 wurde ein Beitrag von Tagesgästen in Höhe von zwei Euro über die Parkgebühren erhoben. Der Beitrag wird jetzt auf einen Euro gesenkt, aber dafür steigt der Kurbeitrag für Übernachtungsgäste von 2 auf 2,50 Euro.) Die Gemeinde Herrsching darf das aber z. B. nicht, weder für Tagesgäste noch für Übernachtungsgäste. Obwohl hier sicher an schönen Sommertagen auch sehr viele Tagesgäste aus München anreisen. Die Promenade, den See und die öffentlichen Toiletten nutzen – das alles kostet Geld für die Bereitstellung, Pflege und Reinigung. Angesichts der klammen Kassen der Kommunen sind das Aufwendungen, die, um als Tourismusort aber attraktiv zu sein, getätigt werden müssen.
In den Badeorten an Nord- und Ostsee sind Gebühren für Tagesgäste inzwischen üblich: https://www.rostock-heute.de/kurabgabe-rostock-warnemuende/120127
Prominentes Beispiel ist Venedig, das im letzten Jahr eine Gebühr für Tagesgäste eingeführt hat. Viele der überlasteten Kommunen sehen das als letztes Mittel, um auch die Gästeflut einzudämmen. https://www.travelbook.de/service/venedig-eintrittsgeld-erhoehung
Die Landtags-Grünen wollen den Kommunen einfach die Möglichkeit geben, Kosten, die anfallen, nicht nur von den Bürger*innen tragen zu lassen, sondern eben auch die Gäste daran zu beteiligen. Das trägt auch zu einer höheren Tourismusakzeptanz bei.
Auch der Deutsche Tourismusverband (DTV) hat sich in einem aktuellen Positionspapier klar dafür ausgesprochen, den Kommunen bei Gästebeiträgen freie Hand zu lassen: “Ob ein Ort in den Tourismus finanziert und sich über Gästebeiträge oder Tourismusabgaben refinanziert, muss Teil der kommunalen Selbstverwaltung sein. Notwendig ist ein klarer rechtlicher Rahmen in den Kommunalabgabengesetzen der Länder, um Unsicherheiten, Kosten oder Akzeptanzprobleme zu vermeiden. Wo erforderlich, sind die Kommunalabgabengesetze der Bundesländer entsprechend anzupassen.” Zum Positionspapier des DTV
Verbot der Bettensteuer (Übernachtungssteuer)
Das Thema Bettensteuer ist schon seit Jahren bundesweit Thema. Bereits 2015 haben Hoteliers aus Bremen und Hamburg vor dem Bundesfinanzhof geklagt und dort verloren. Dann wurde weiter bis zum Bundesverfassungsgericht geklagt. Das hat 2022 die Bettensteuer grundsätzlich für zulässig erachtet. Mit der Begründung: Sie belasten die betroffenen Beherbergungsbetriebe nicht übermäßig.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-040.html
In vielen großen Städten (Berlin, Köln, Frankfurt) wird sie seit Jahren erhoben und hat nicht dazu geführt, dass die Gäste ausgeblieben sind. Bei den zum Teil auf Plattformen sehr großen Preisunterschieden für eine Übernachtung im selben Hotel fällt die Abgabe auch nicht ins Gewicht. Die meisten Kommunen verlangen inzwischen einen bestimmten Prozentsatz vom Übernachtungspreis, so dass bei günstigen Hotels die Abgabe auch gar nicht so hoch ist. Hamburg staffelt sogar nach Übernachtungspreis. Damit kann das Argument der Dehoga ausgehebelt werden, dass sich die Menschen mit weniger Geld dann kein Hotel mehr leisten können.
Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil haben auch die Städte München, Bamberg und Günzburg überlegt, eine Abgabe für Übernachtungsgäste einzuführen. Das hat die Staatsregierung mit der Änderung des BayKAV verboten. Die Kommunen klagen jetzt mit dem Verweis auf das BVG-Urteil vor dem Bay. Verfassungsgerichtshof.
Bereits 2017 hat die Gemeinde Aschheim (LK München) beschlossen, 2018 eine Bettensteuer zu erheben. Das hat die Staatsregierung schon damals untersagt. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/aschheim-hotels-sollen-bettensteuer-zahlen-1.3215167