Am Sonntag, dem 12. Mai 2024 wurden in der Hurlacher Heide Infotafeln zu den KZ-Außenlagern in Landsberg und Kaufering eingeweiht. Anlässlich dieser Einweihung durfte ich Gedenkworte sprechen, welche Sie im Folgenden lesen können.
Stille – hören Sie, hört Ihr die Stille an diesem Ort?
In den Sechzigern und Siebzigern, in denen ich aufgewachsen bin, kannten meine Eltern wohl auch diese Stille. Eine Stille, an einem Ort, an dem nichts Gutes geschah. Wohl deshalb sagte mit meiner Mutter, „Da zu dem Judenfriedhof, da geht ihr nicht runter“.
Natürlich fuhren wir mit unseren Fahrrädern hierher, hier herunter, um uns hier näher umzuschauen. Was hatte das wohl mit den komisch-fremden Schriftzeichen auf den großen Grabsteinen auf sich?
Und überhaupt, wieso hier, so abseits und versteckt, ein Friedhof?
Wieso sind diese Menschen nicht auf unserem Friedhof in der Siedlung oder im Dorf beerdigt?
Auf unser Fragen wurde nur kryptisch geantwortet: das waren die Nazis, die Juden sind zu Kriegszeiten gestorben. Meine Eltern wussten also etwas und wir Kinder spürten, dass das, was sie wussten, das war nicht gut. Diese Stille, die wir hier als Kinder erlebten, war eine schwere Stille, obwohl dieser Ort für uns damals wie heute doch so idyllisch ist.
Stille. Die Stille um die Shoah hielt lange an.
In Dachau, dem Stammlager der Außenlager von Kaufering, waren es die Überlebenden selbst, die in den sechziger Jahren, also rund 20 Jahre nach dem Ende ihres Leids, die Gedenkstätte einforderten. Der Ort, wo tausendfacher Mord geschah.
Hier in Kaufering und in Landsberg war es erst Anfang der achtziger Jahre, als zum ersten Mal öffentlich thematisiert wurde, was in den elf Außenlagern in der Region passiert war. Es waren Schülerinnen und Schüler, angeleitet durch Ihren Geschichtslehrer Anton Posset, die diese Stille um die KZ-Außenlager Kaufering zum ersten Mal durchbrachen.
In der Gemeinde Kaufering selbst, deren Namen all diese Außenlager trugen, haben Bürgermeister Bühler und Gemeinderat Norbert Sepp den Geschehnissen hier vor Ort eine Stimme gegeben. Beiden möchte ich an dieser Stelle danken.
Stille. Wie gehen wir heute mit der Stille um?
Auch heute begegnen wir der Stille. Es ist eine Stille gegenüber rechtsextremen, menschenverachtenden, ausgrenzenden und antisemitischen Verhalten und Sprechen.
Viele von uns sagen, ja, aber wir sind doch nicht in den 1930ern! Nein, so weit sind wir noch nicht. Da mögen sie recht haben.
Aber, und hier kommt ein großes Aber: Deportationspläne für Menschen mit Migrationshintergrund, Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, Angriffe gegen Obdachlose, Angriffe gegen politisch Andersdenkende, offen gezeigter Antisemitismus, all das dürfen wir nicht hinnehmen. Denn wir wissen, wohin das führen kann. Deutschland hat all das bereits einmal erlebt.
Das zeigt uns dieser Ort hier.
Wir müssen aufstehen und laut sein für ein friedliches, gleichberechtigtes und vielfältiges Zusammenleben, laut sein für unsere Demokratie.
Wir sind es vor allem ihnen schuldig: den unzähligen Ermordeten, die wie hier in diesen beiden Friedhöfen verscharrt wurden.
Wir müssen aufklären darüber, wie mit diesen beiden Informationstafeln, was an diesem idyllischen Ort der Stille passiert ist.
Und was passieren kann, wenn wir still sind.