Runder Tisch in Landsberg

Kita-Fachkräftemangel schadet Erzieher*innen und Kindern

„Es brennt lichterloh in ganz Bayern“, beschreibt Landtagsabgeordnete Gabriele Triebel die Situation der Kitas hierzulande. Über die Ursachen und Folgen der Kita-Politik diskutierte die bildungspolitische Sprecherin zusammen mit Johannes Becher, Sprecher für kommunale Fragen und frühkindliche Bildung, sowie den Kita-Leitungen aus dem Landkreis Landsberg.

„Die Kita ist ein ganz entscheidender Baustein für eine gute Familienpolitik.“ Die Bedeutung der Kita hat Gabriele Triebel fest im Blick. Wie aber ist die Situation in den Kitas vor Ort und welche Unterstützung benötigen Erzieher*innen für ihre Arbeit? An der Diskussionsrunde zum Kita-Fachkräftemangel in der AWO-Begegnungsstätte nahmen 14 Fachexpertinnen aus Einrichtungen in Landsberg, Kaufering, Epfenhausen und Igling teil. Ihre Erfahrungen: Personalnot, zu große Gruppen, mangelhafte Förderung der Kinder und eine immer stärkere Verschiebung der elterlichen Erziehungsarbeit hinein in den Kita-Bereich.

Dauerbrenner Personalnot

Um die Personalnot aufzufangen, gehen Erzieher*innen permanent über ihre körperlichen Grenzen, wie die Gesprächsbeiträge zeigten. Praktikant*innen würden sich auch deshalb überlegen, ob sie diesen Beruf wählen sollten. Johannes Becher als Fachspezialist für frühkindliche Bildung ist klar, dass „wir zu viel gut ausgebildete Leute verlieren“. Außerdem müssten Quereinsteiger*innen zuerst einmal Entlastung und nicht Ersatz sein. Sein Motto: „Quereinstieg ja, aber entscheidend ist, dass die Qualität gewährleistet ist.“ Wichtig sei auch eine Reform der Kinderpflege-Ausbildung als duales Ausbildungssystem mit praktischem Teil. Zur Finanzierung der Kita hat Becher einen klaren Vorschlag: „Wir brauchen eine klare Prioritätensetzung in Richtung Qualität. Die Bundesmittel aus dem Kita-Qualitätsgesetz müssen also auch zu 100 Prozent für Qualität verwendet werden, statt wie bisher zum Großteil für einkommensunabhängige Beitragsentlastungen.“

Gruppen schnell verkleinern

Ein anderer Aspekt ist die Gruppengröße. Nicht nur den Erzieher*innen, auch den Kindern seien die Gruppen zu groß. Das Verhalten der Kinder ändere sich, wenn die Gruppe zu voll ist, wie die Expertinnen berichteten. Im Alltag würden dann mehr Konflikte, Tränen und körperliche Auseinandersetzungen auftreten. Deshalb fordern die Kita-Leiterinnen, die Gruppengrößen schnell zu reduzieren. Zusätzlich sollten Kinder mit Fluchterfahrung einen anderen Gewichtungsfaktor erhalten, da sie oft wesentlich mehr Zeit bei der Betreuung in Anspruch nähmen. Laut Becher werden momentan „die Sprach-Kitas systematisch kaputt gemacht“. Die Bayerische Staatsregierung hat es verpasst, zeitnah den Übergang vom Bundes- zum Landesprogramm in die Wege zu leiten. In der Folge wurden bereits zahlreiche Sprach-Kitas in Bayern geschlossen. Viele der zusätzlichen Sprach-Fachkräfte bangen bis heute um ihre berufliche Perspektive, weil noch immer keine Förderrichtlinie vorliegt, auf Grundlage derer die Arbeitsverträge verlängert werden könnten. Die Sprach-Kitas verfolgen ein wichtiges Ziel: Kindern aus sozial benachteiligten Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund Sprachkompetenzen zu vermitteln.

Bauchgefühl verloren

Eine qualitative Verschiebung ihrer Arbeit konnten die Kita-Expertinnen benennen. Ihre Arbeit sei inzwischen nicht mehr erziehungsbegleitend, sondern verstärkt erziehungsausführend. Auf den Punkt gebracht: Das Bauchgefühl der Eltern sei weg. Elterngespräche würden somit länger dauern, weil sie in Richtung Erziehungsberatung gingen. Gabriele Triebel bestätigt, dass dies „ein gesamtgesellschaftliches Problem ist“. Der finanzielle und gesellschaftliche Druck wirke in die Familien hinein. Familien benötigen auf verschiedenen Ebenen mehr Unterstützung, um ausreichende Möglichkeiten für die Erziehung ihrer Kinder zu haben. Aber nicht nur die Familie, auch „die wertvolle Arbeit der Erzieher*innen in den Kitas muss mehr gesellschaftliche Anerkennung bekommen“, wie Gabriele Triebel die Diskussionsrunde abschloss.