Wir befinden uns mitten in der weltweiten Corona-Krise. Nachdem der Schulbetrieb in Bayern ab 16. März 2020 eingestellt und das Lernen nach Hause verlagert wurde, wurden die Schulen ab 27. April 2020 für Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen geöffnet und darüber hinaus eine Notbetreuung installiert. Beginnend ab 11. Mai 2020 wird nun die weitere Öffnung in drei Stufen stattfinden.
Das einseitige Schielen auf die Schulöffnung vor Ort gefährdet die dringend notwendige Gestaltung der neuen Schulrealität, bei dem das Lernen zuhause – via und mit digitalen Medien – den größeren Teil einnehmen wird. Es kann nicht nur darum gehen, wer wann die Schule von innen sehen darf! Was soll in der Schule passieren, was zuhause? Wie kann sichergestellt werden, dass die Hygienemaßnahmen eingehalten werden? Wie wird die Schulfamilie bei der Umsetzung vom Kultusministerium unterstützt?
Klar ist, Präsenzangebote für alle Schüler*innen an den Schulen vor Ort wird es aufgrund des Infektionsschutzes im Schuljahr 2019/2020 nur partiell geben können. Regulärer Unterricht wird ebenfalls noch lange nicht stattfinden können – Klassen müssen geteilt werden, der Lernstoff muss reduziert werden. Lernen zuhause wird weiterhin die Realität bleiben
Der neuen Schulrealität muss begegnet werden: Präsenzangebote an den Schulen und das Lernen zuhause brauchen klare inhaltliche Vorgaben und Rahmenbedingungen – beides muss eng miteinander verzahnt werden. Und die Schulen und die gesamte Schulfamilie (auch die Sachaufwandsträger) brauchen eine klare Kommunikation, ausreichend Ressourcen und genügend Vorlauf, um das neue Lernen organisieren zu können.
• Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Verhältnissen bei der Schulöffnung vorrangig berücksichtigen: Alle Familien sind in dieser Ausnahmesituation belastet. Doch die (Lern-)Bedingungen zuhause sind unterschiedlich. Festzustellen ist, dass sich die sogenannte Bildungsschere in der Corona-Krise vergrößert hat. Es trifft vorrangig Kinder und Familien, die vorher schon benachteiligt waren. Das muss berücksichtigt werden! Deshalb fordern wir bei der schrittweisen Schulöffnung die Kinder und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien oder in einer besonderen Problemlage vorrangig zu berücksichtigen. Diesen Schülerinnen und Schüler soll bereits ab dem 11. Mai 2020 die Möglichkeit gegeben werden, bei Bedarf an die Schule zu kommen. Lehrkräfte können hier ihre Einschätzung abgeben, Eltern ihren Bedarf anmelden.
• Besonderer Schutz für Lehrkräfte, die zu Risikogruppe gehören: Wir setzen uns dafür ein, dass die Lehrkräfte, die zu Risikogruppen gehören oder mit besonders vulnerablen Personen in einem Haushalt leben, das Lernen zuhause unterstützen und nicht zum Präsenzunterricht gezwungen werden. Das muss auch ohne Wenn und Aber bis zum Schuljahresende und im kommenden Schuljahr gelten! Um dem Lehrkräftemangel im kommenden Schuljahr (2020/21) zu entgegen hat das bayerische Kultusministerium vor Kurzem noch pensionierte Lehrkräfte gebeten, aus dem Ruhestand in die Klassenzimmer zurückzukehren. Wenn Lehrkräfte auf dieses Schreiben hinweg nun freiwillig zurückkehren, dann dürfen diese ebenfalls nur freiwillig im Präsenzunterricht eingesetzt werden.
• Günstigkeitsregelungen für Schülerinnen und Schüler beim Übertritt: Den Schüler*innen der vierten Klassen ist es in diesem Schuljahr nicht möglich, sich wie gewohnt, auf ihren Besuch auf die weiterführenden Schulen vorzubereiten. So können sie auch ihren Notenschnitt zum Ende des Schuljahres nicht mehr verbessern. Dem wollen wir begegnen: der Notenschnitt, der bis zum 13.3.2020 festgehalten wird, soll im Rahmen eines Korridors nach oben korrigiert werden können. Der begünstigte Notenschnitt bildet gemeinsam mit dem Elternwillen und der pädagogischen Einschätzung die Empfehlung für die weiterführende Schule.
• Unverzüglich die reibungslose Funktion der Lernplattform mebis sicherstellen: Die Corona-Pandemie zeigt, dass die Digitalisierung in der Schule bisher nicht richtig funktioniert. Denn nicht mal die hochgelobte bayerische Lernplattform mebis läuft stabil! Das ist aber Grundvoraussetzung für das Lehren und Lernen in der Corona-Krise. Deswegen müssen entweder die Serverkapazitäten nochmals ausgebaut werden oder eine dezentrale Serverstruktur aufgebaut werden.
• Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten ausstatten: Für das Lernen zuhause sind ein passendes digitales Endgerät und ein Drucker eine zwingende Voraussetzung. Familien, die bislang nicht über diese technische Ausstattung verfügen, müssen schnell und unbürokratisch finanziell unterstützt werden. Die Bundesregierung hat angekündigt 500 Mio. € hierfür bereitzustellen. Wir gehen davon, aus, dass diese rechnerischen 150 € pro Kind nicht ausreichen werden. Gegebenenfalls muss das Bundesgeld durch bayerische Gelder verstärkt werden oder Bayern in Vorleistung gehen.
• Schule in den Sommerferien 2020 öffnen – Konzept für „Sommerschule 2020“ auf den Weg bringen: Die jetzige Notbetreuung an den Schulen soll vor Ort je nach Möglichkeit freiwillig zu einem Bildungs- und Betreuungsangebot für die Sommerferien 2020 weiterentwickelt werden können. Angebote dieser „Sommerschule 2020“ sollen vorrangig für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche und Familien in Problemlagen offenstehen. Dazu können die Strukturen und das Know-how der bayernweit etablierten „Bildungsregionen“ genutzt werden. Hier sind alle regionalen Netzwerke und Strukturen der kommunalpolitisch Verantwortlichen vor Ort vorhanden.
• Lehrkräften Dienst-Rechner zur Verfügung stellen: Nachdem die Haushalte entsprechend ausgestattet wurden, muss ferner darauf geachtet werden, dass auch alle Lehrkräfte besonders in der Corona-Krise über ein passendes digitales Endgerät verfügen, das unabdingbar ist für die Vorbereitung und die Durchführung des Unterrichts. Schließlich kann auch so der nötige Datenschutz eingehalten werden.
• Schulbegleitung für das Lernen zuhause einsetzen: Es müssen jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Schulbegleiter*innen für das Lernen zuhause eingesetzt werden können, unabhängig davon ob diese über die Bezirke oder das Jugendamt beschäftigt sind. Dies ist eine wichtige individuelle Unterstützung und stellt die Teilhabe an der Bildung sicher. Die Verantwortlichen schieben sich seit Unterzeichnung der UN-BRK die Verantwortung hierfür gegenseitig zu. Die Familien und Kinder müssen dies nun ausbaden.
München, den 6. Mai 2020 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag
Katharina Schulze Fraktionsvorsitzende
Gabriele Triebel bildungspolitische Sprecherin
Max Deisenhofer Sprecher für digitale Bildung