Ein Jahr WSW-Gutachten – Gabriele Triebel zieht Bilanz zur Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in der katholischen Kirche

Seit einem Jahr kennen wir die „Bilanz des Schreckens“: Am 20. Januar 2022 ist das Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Zahl von knapp 500 Verdachtsfällen des sexualisierten Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in der Erzdiözese München und Freising schockiert Politik und Öffentlichkeit. Dazu erklärt Gabriele Triebel, Abgeordnete und Sprecherin für Religion der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag: „Ein Jahr nach Bekanntwerden der Fälle in der Erzdiözese München und Freising geht die Aufarbeitung noch immer schleppend voran. Das Gutachten hat uns aufs Neue gezeigt, dass es sich beim sexualisierten Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche um ein strukturelles Problem handelt. Es muss dringend vollumfänglich aufgeklärt werden.“

Zum Stand der Strafverfolgung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche hatte Justizminister Georg Eisenreich am 8. Dezember 2022 berichtet. Der abschließende Bericht der Staatsanwaltschaft steht allerdings noch aus.

Auf Antrag der Landtags-Grünen findet nun am 20. April eine Sachverständigenanhörung, die die Rolle und Gestaltungsmöglichkeiten des Freistaates bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen im kirchlichen Kontext untersucht. Triebel weiter: „Sexualisierte Gewalt an Schutzbefohlenen, insbesondere an Kindern und Jugendlichen, ist eine Form der Gewalt, deren Aufarbeitung und Prävention in besonderem Maße eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Es ist ein grundsätzlicher Fehler, wenn, wie im Fall der Kirche, eine Täterorganisation eigene Straftaten aufarbeiten soll. Eine wirkliche Aufarbeitung funktioniert nicht, wenn Kläger und Angeklagter ein und dieselbe Institution sind. Deswegen ist der Staat hier besonders gefordert. Die Söder-Regierung wird ihrer Verantwortung hier nicht gerecht. Die strafrechtliche Verfolgung der Taten nach geltendem Recht ist nur ein kleiner Teil der umfassenden Aufarbeitung. Mir geht es vor allem darum, die Betroffenen zu unterstützen. Da brauchen wir andere Strukturen, die den Menschen dabei helfen, ihre Rechte einzufordern und gegebenenfalls auch Anzeige zu erstatten.“

Gerade beim individuellen Aufarbeitungsprozess benötigten Betroffene bessere Unterstützung, erklärt die Grünen-Abgeordnete: „Es kann nicht sein, dass sich die Menschen auch hier an die Täterorganisation wenden müssen, wie es aktuell der Fall ist. Wir brauchen dringend eine unabhängige Ombudsstelle. Auch wenn aus dem Justizministerium leise Zustimmung an dieser Stelle zu hören ist, fehlt die Zustimmung von Sozialministerin Scharf. Wir Landtags-Grüne werden uns weiter mit ganzer Kraft dafür einsetzten, dass die Betroffenen endlich die Unterstützung erfahren, die ihnen zusteht.“