Unser Brief an Kultusminister Piazolo

Sehr geehrter Herr Kultusminister Prof. Dr. Piazolo,

Sie und Ihr Haus müssen gerade vielfältige Problemstellungen im Schulbereich rund um die Corona-Krise meistern. Wir danken Ihnen und den Mitarbeiter*innen im Kultusministerium für Ihren Einsatz in diesen schwierigen Zeiten.

Erlauben Sie uns, dass wir uns heute direkt an Sie wenden.

Die Schulschließungen stellen Eltern der Kinder und Jugendlichen vor große Herausforderungen. Wir sehen die unterschiedlichsten Strategien diese Situation zu meistern. Manche Eltern erstellen einen minutengenauen Zeitplan für ihre Kinder. Sie haben große Hoffnungen auf stundenlanges Lernen, einschließlich Online-Aktivitäten, wissenschaftliche Experimente und Buchberichte. Manche Eltern legen weniger Wert und wieder andere Erziehungsberechtigte legen keinen Wert auf die Beschulung der Kinder in unterrichtsfreien Zeiten. Die Bandbreite ist groß.

Aber auch das Lernangebot von Seiten der Schulen und ihren Lehrkräften unterscheidet sich im großen Maß. Es gibt Schulen, die – sicher gut gemeint – ihre Schülerinnen und Schüler mit zu vielen und neuen Hausaufgaben überfordern. Für die Schüler*innen und deren Eltern ist dies nicht leistbar. Auf der anderen Seite gibt es Schulen, die sich kaum melden und derzeit nicht in der Lage sind, ihren Schüler*innen etwa Materialien zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sorgen sich andere Lehrkräfte von Schüler*innen, für die die Schule auch einen Schonraum darstellt (in dem sie geschützt sind, zu essen bekommen und sich die Schulfamilie ein Stück weit kümmert), weil sie nun diese Schüler*innen nicht mehr erreichen.

Ferner stellen wir einen eklatanten Unterschied in der technischen Infrastruktur und im Umgang mit digitalen Medien fest. Es gibt Schulen, die gut aufgestellt sind und für die Lernen mit und über digitale Medien bereits einen festen Platz im Schulalltag

hatten, und Schulen, die hier noch am Anfang stehen. Es gibt Haushalte, die technisch gut ausgestattet sind und über mehrere Arbeitsgeräte verfügen, und Haushalte, die lediglich Smartphones mit Prepaid-Volumen zur Verfügung haben. Zudem gibt es Eltern, die bereits früher auf digitale Lernangebote gesetzt haben, und Eltern, die diese Möglichkeiten nicht kennen oder sich zusätzliche Lernmittel nicht leisten können.

Und dann sind da noch unsere Kinder und Jugendlichen. Bei ihnen herrscht genauso viel Angst und Unsicherheit wie bei uns Erwachsenen. Vor allem unsere Kinder können nicht nur alles hören, was um sie herum vor sich geht, sondern sie spüren auch unsere ständige Anspannung und Ungewissheit. Sie haben so etwas noch nie erlebt. Obwohl die Idee, fünf Wochen lang nicht zur Schule zu gehen, großartig klingt, stellen sie sich wahrscheinlich eine lustige Zeit wie Sommerferien vor und nicht die Realität, zu Hause gefangen zu sein und ihre Freunde nicht zu sehen. Ihre persönliche Situation kann für sie mit jedem Tag schwieriger werden.

Aus diesen genannten Gründen halten wir es für sinnvoll, wenn Sie, Herr Piazolo, als Kultusminister unseren Lehrkräften, den Schüler*innen und deren Eltern ein klares Signal und einen Handlungsrahmen vorgeben.

Aus unserer Sicht geht es jetzt nicht darum, im Homeschooling neue Inhalte zu vermitteln, sondern allenfalls darum, bisher Gelerntes zu festigen. Die Situation im Allgemeinen und im Speziellen jeder einzelnen Familie muss berücksichtigt werden. Die Schüler*innen müssen derzeit mit viel Unsicherheit umgehen und mit großen EinschränkungendenTag meistern,eine Überforderung muss vermieden werden.

Wir hoffen auf einen weiteren konstruktiven Austausch.

Mit freundlichen Grüßen